Herzlich willkommen auf meinem Buchsofa!

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Kennt Ihr das auch:
Euch ist der Lesestoff ausgegangen und Ihr habt keine Ahnung was Ihr als nächstes in Angriff nehmen sollt?
Dann findet Ihr hier meine persönlichen Buchempfehlungen für Euch :)
Bei Fragen oder Anregungen wartet mein Mailfach (ellasbuchsofa@gmail.com) ganz ungeduldig auf Eure Nachrichten ;)
Viel Spaß beim Stöbern!
Eure Ella



Mittwoch, 24. April 2013

Die dritte Sünde

Bewertung: 4 Bücher


Kurzinfo:
- Titel: Die dritte Sünde
- Autor: Eva-Ruth Landys
- ISBN: 9783937357706
- Verlag: Bookspot
- Preis: 17,95 


Liebe kann so schön sein. Sie beflügelt die Menschen und erfüllt ihr Herz, aber manchmal reißt sie sie auch in den Abgrund...


Die Geschichte:
Im Jahre 1838 in England:
Die Krönung der jungen Victoria steht bevor. Auch Isobel de Burgh, wohlbehütete und egoistische Tochter des Herrn von Whitefell, soll daran teilnehmen. Vor allem, um sich im Rahmen der überbordenden Feierlichkeiten in London einen geeigneten, möglichst adeligen Gatten zu angeln. Doch dann kommt alles ganz anders. Mr Havisham, der reiche Geschäftsfreund ihres plötzlich verarmten Vaters, bekundet deutliches Interesse an ihr. Isobel ist verärgert und enttäuscht. Weiß Lady Craven, die weltgewandte und leichtlebige Freundin ihrer verstorbenen Mutter, vielleicht Rat? Und was hat Havisham mit dem überraschenden Tod David de Burghs, des rechtmäßigen Erben Whitefells, zu tun? Währenddessen zeigt sich auf Whitefell Cathy - Tochter des Feldpflegers und Isobels langjährige ungleiche Spielgefährtin wider Willen - erleichtert, endlich von ihrer ungeliebten Herrin befreit zu sein. Doch die kleine Freude währt nicht lang. Isobel kehrt zurück als Verlobte Havishams und erzwingt Cathys Dienste erneut. Cathy wird Isobels Zofe - nicht zuletzt, um deren intime Eskapaden zu decken. Es gibt da nämlich den ausgesprochen verführerischen jungen Stallmeister Aaron Stutter auf Whitefell, der nicht nur Isobels erotische Fantasien beflügelt. Doch Aaron hat ein schreckliches Geheimnis - und er liebt die scheue Cathy. 

Zum Buch:
Eva-Ruth Landys beschert uns mit "Die dritte Sünde", dem ersten Band der Trilogie, wieder bewegende Lesestunden.

Von "Pflicht und Verlangen" kennen wir bereits die Lieblingsbausteine der Autorin für ihre Bücher: 
-ein historisch korrekter Schauplatz (der zusätzlich mit Fußnoten genauer erläutert wird),
-besonderes Augenmerk auf die gesellschaftlichen Probleme der Zeit,
-ebenso wie große Gefühle zwischen Liebe und Verzweiflung.

Genau das erwartet den Leser auch in "Die dritte Sünde".

Wir befinden uns im England Mitte des 19. Jahrhunderts auf einem Landsitz:
Die sozialen Umstände für das einfache Volk sind katastrophal ungerecht.
Die zunehmend verarmenden Landarbeiter und Dienstboten sind den Launen ihrer Herrschaften hilflos ausgeliefert.
Diesen gesellschaftlichen Missstand macht uns die Autorin an der Heldin Cathy, einer Arbeitertochter, und Isobel, dem verwöhnten Sprössling des Herrn von Whitefell, deutlich.
Von klein auf wird das schüchterne Mädchen von ihrer Herrin wie ein Spielzeug behandelt.
Es bedarf nur des Anfangssatzes der Erzählung, um das Verhältnis der Beiden klar zu machen:
„Du kannst schließlich nichts dafür, dass du so schrecklich aussiehst!“
Isobel demütigt und quält ihre Untergebene, wo sie nur kann.
Sie ist sich ihrer Machtposition schon in jungen Jahren bewusst und ergötzt sich am Leid, dass sie durch ihre Intrigen verursacht.

Eva-Ruth Landys schafft es, wie nur wenige Autoren, den Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln.
Die Sprache ist eindringlich und lebendig.
Alle Figuren, egal ob Haupt- oder Nebencharaktere, sind detailreich und authentisch ausgearbeitet und wirken lebendig.
Ihre inneren sowie äußerlichen Entwicklungen sind nachvollziehbar und schlüssig.

Der zentrale Wendepunkt für Cathys Entwicklung und das Verhältnis der beiden ungleichen Frauen bringt die Ankunft des Stallmeisters Aaron Stutter auf Whitefell.
Mit seinem Erscheinen beginnt die vorher unterwürfige Cathy erstmals zu rebellieren.
Zwischen dem Stallmeister und ihr entstehen tiefe Gefühle, doch ihre Herrin ist ebenfalls sehr interessiert an dem gut aussehenden Mann.
Isobel ist gewohnt, alles zu bekommen, was sie möchte und so entsteht eine gefährliche Dreiecksbeziehung, die nicht nur den Leser in Atem hält.

Alles in allem hat mir "Die dritte Sünde" als Auftaktbuch sehr gut gefallen.
Wir dürfen gespannt sein, was uns der zweite Band der Reihe, der im Frühsommer 2013 erscheinen wird, an neuen Entwicklungen liefern wird.
Die Autorin versteht es meisterhaft mit den Emotionen des Lesers zu spielen, was mich immer wieder besonders fasziniert.
Leider empfinde ich die Handlung an manchen Stellen zu klischeehaft und auch dem Charakter der Isobel fehlt es einfach letzten Endes an Intelligenz und Raffinesse.
Aber vielleicht soll es auf den Leser auch nur so wirken?

Wir dürfen gespannt sein, vorerst vergebe ich für den ersten Band 4 von 5 möglichen Büchern und freue mich auf die Fortsetzung :)



Montag, 22. April 2013

Fucking Munich - Heiße Geschichten aus der Weltstadt mit Herz

Bewertung: 5 Bücher

Kurzinfo:
- Titel: Fucking Munich
- Autor: Mona Hanke (alias Inka Loreen Minden)
- ISBN: 9783499244322
- Verlag: Rowohlt
- Preis: 8,99 (auch als E-Book)


München hat viele Sehenswürdigkeiten, aber Liebe und  heiße Abenteuer findet man oft an besonderen Plätzen... 
und Mona Hanke alias Inka Loreen Minden zeigt sie uns!



Die Geschichten:

Manchmal muss man mutig sein, um eine Beziehung zu retten...
"In Fahrt gebracht"
Zwischen dem Schaustellerpaar Anna und Ben kriselt es gewaltig.
Die junge Frau sehnt sich nach lustvoller Unterwerfung, aber ihr Freund kann ihre Wünsche nicht erfüllen.
Doch dann wird Anna bei einer Fahrt in der Geisterbahn plötzlich von einem Unbekannten entführt und in eine Folterkammer gebracht...

Die Polizei dein Freund und Meister???
"Im Bannkreis der Lust"
Auf der Jagd nach einer heißen Story schleußt sich die Reporterin Eva in einen SM-Zirkel ein, um für eine Enthüllungsgeschichte über einen berüchtigten Dominus zu recherchieren.
Dumm nur, dass sie sich in der Adresse irrt und so dem verführerischen Undercovercop Steffen ihre Dienste anbietet...

Welcome to Munich Airport...
"Außer Kontrolle"
Schon lange hat sich der Flugsicherheitsbeamte Christian in den jungen Dauerfluggast Tim verguckt.
Doch dann gerät der Student in den Verdacht einem Drogenschmugglerring anzugehören und Chris muss ihn abführen und durchsuchen.
Ganz allein in einem Verhörraum entdeckt der Beamte mehr, als er jemals zu träumen gewagt hätte...

Kulturprogramm mit Spaßfaktor...
"Liebesspiele auf Schloss Nymphenburg" 
Julias letzte Beziehung hat ihr Selbstwertgefühl stark angekratzt, weswegen sie ihren Arbeitskollegen Patrick nur im Geheimen anhimmelt. Doch dann bittet Patrick die schüchterne Julia ihm bei einem Verhaltensexperiment zu helfen... Nachts... allein auf Schloss Nymphenburg... 
So erlebt Julia das 17. Jahrhundert im wahrsten Sinne am eigenen Leib....

Ordnung muss sein...
"Englisch im Garten"
Ordnungshüter Tom hat einen perfiden Plan, um der Nacktbaderin Sonja im Englischen Garten so richtig nahe zu kommen. Schließlich müssen Ordnungswidrigkeiten angemessen bestraft werden.
Doch ob Sonja danach ihre Lektion gelernt hat?...


Das Fazit:

Hinter dem vom Verlag unglücklich gewählten Titel "Fucking Munich" verbergen sich fünf erotische Kurzgeschichten mit viel Liebe und Herz von Kultautorin Inka Loreen Minden alias Mona Hanke.

München, die bayerische Hauptstadt mit ihrer Kultur, den Bräuchen und vielen Sehenswürdigkeiten...
In wunderschön erzählten Geschichten nimmt uns die Autorin mit auf eine Reise durch ein anderes München.
Sie zeigt uns, wie viele Gesichter die "Weltstadt mit Herz" wirklich hat:

So kann ein Besuch auf dem Oktoberfest zu einer erotischen Geiselnahme führen um am Ende einer Beziehung zu neuem Leben verhelfen....
Es wird bewiesen, wie effektiv die Zusammenarbeit von Presse und Staatsgewalt sein kann und das nur durch eine kleine Verwechslung...
Der Franz-Joseph-Strauß Flughafen überzeugt durch sein ausgefeiltes Sicherheitssystem mit privaten Leibesvisitationen...
Eine Reise in die Geschichte von Schloss Nymphenburg offenbart die wahre Liebe...
und am Englischen Garten herrschen noch Zucht und Ordnung!

Mona Hanke erzählt mit viel Liebe, Lust und Humor von ihrem München.
Der zum Teil historische Hintergrund ist mit Liebe zum Detail recherchiert und authentisch dargestellt.
Jede einzelne Szene zieht den Leser in ihren Bann und stielt sich Seite für Seite in sein Herz.
Die  Geschichten, die alle im Soft-BDSM angesiedelt sind, sind eindringlich und geschmackvoll erzählt und somit prickelnd erotisch und niemals verstörend - auch für Neulinge im BDSM ;-) -.
Also genau das was wir an Inka Loreen Minden so lieben!

Aber woher kommt dann dieser Titel????


Da ich selbst gelernte Buchhändlerin bin, weiß ich, dass Autoren von ihrem Verlag leider oft kein Mitspracherecht bei Covergestaltung und Titelwahl eingeräumt bekommen.
In diesem Fall bin ich mir ziemlich sicher, dass genau das passiert ist.
Denn wer die E-Books von Inka Loreen Minden kennt, weiß, dass sie immer geschmackvolle Titel für ihre erotischen Erzählungen aussucht.

Unter "Fucking Munich" würde man eher eine Sammlung von Pornogeschichten vermuten und keine erotischen Soft BDSM-Liebesgeschichten, die sich dem Leser Seite für Seite selbst ins Herz stehlen.
Zudem ist der Titel dem 2008 erschienenen Buch "Fucking Berlin", in dem es um die autobiografische Erzählung einer Freizeithure geht, viel zu ähnlich.
Qualitativ und thematisch liegen zwischen diesen Büchern Welten und ich wäre fast versucht, den Begriff Galaxien zu verwenden...
Ich kann mir wirklich nicht erklären, was Rowohlt da geritten hat!
War das der Versuch den erotischen Geschichtenband rund um München möglichst verrucht erscheinen zu lassen?
Eine absolut schwachsinnige Aktion, die nach hinten losgehen könnte.

Deshalb aufgepasst!  :-) 
An alle Fans von anspruchsvoller Erotik mit Happy End:
Lasst Euch nicht abschrecken! 
Wenn Ihr wirklich ein Problem damit habt, das Buch im Laden zu kaufen, bestellt es Euch online oder holt es Euch als E-Book auf den PC oder E-Reader.
Aber lasst Euch wegen eines schlechten Marketingschritts eines Verlags nicht eines der besten Bücher die Mona Hanke alias Inka Loreen Minden je geschrieben hat entgehen!

Das haben weder die Autorin noch ihre Fans verdient! ;-)

Von mir gibt es 5 von 5 möglichen Büchern!






Samstag, 20. April 2013

Der große Regen

Bewertung: 4 Bücher


Kurzinfo:
-Titel: Der große Regen
-Autor: Louis Bromfield
-ISBN: 9783293205697
-Verlag: Unionsverlag
-Preis: 12,95


Es sind nur ein paar Tage nötig um die Einstellung zum Leben komplett zu verändern...




Der alte Maharadscha in der indischen Provinz Ranchipur weiß, dass auf seine zwölf Millionen Untertanen Hunger und Tod warten, wenn der Regen ausbleibt. So erträgt er die langen Wochen des Wartens in brennender Hitze und verzichtet auf die Freuden von Marienbad und Paris, solange er sein Volk nicht sicher weiß vor der Katastrophe. Auch Tom Ransome, der verwöhnte Intellektuelle aus der westlichen Welt, wartet auf das Naturereignis, um es zu malen. Den indischen Arzt Dr. Safka lässt seine Berufs- und Menschenpflicht ausharren. Was aber treibt Lady Heston aus England nach Ranchipur? Dann kommt taifunartig der Regen. Im Handumdrehen ist der Staudamm zerstört und das ganze Land überschwemmt. Wer überlebt, steht vor der Wahl erneuter aufopferungsvoller Arbeit oder Resignation.


Es fällt mir schwer, eine inhaltliche Rezension zu Louis Bromfields "Der große Regen" zu verfassen.
Die Eindrücke die einem der Roman vermittelt sind gewaltig.
Auf über 600 Seiten lässt der Autor das Indien der 30er Jahre wieder aufleben:
Der Erste Weltkrieg ist längst vorbei.
Indien ist nach wie vor eine Brittische Kolonie und die Unabhängigkeit durch Mahatma Gandhis gewaltfreie Widerstandsbewegung ist noch in weiter Ferne.
Im Inneren Indiens herrscht das Gesellschaftssystem der Kasten.

Es ist wichtg zu wissen, dass der Roman aus dem Jahre 1955 stammt.
Der Leser sollte diese Information im Hinterkopf behalten, da  sich die Handlung aufgrund ihrer Entstehungszeit nicht mit heutigen Romanen messen lässt.
Bromfields Blickwinkel auf die Geschichte Indiens findet Mitte der Fünfziger statt und nicht in unserer Gegenwart.
Ebenfalls ist es wissenswert, dass Bromfield selbst sehr oft die Winter in Indien verbrachte.

Der zweite Fokus der Geschichte liegt vor allem auf den psychologischen Vorgängen in den Protagonisten und zentralisiert den Kampf des Individuums gegen die übermächtige Umwelt.
Bromfield, der es meisterhaft versteht, den Geist einer Epoche einzufangen und auf Papier zu bannen, lässt jede seiner Figuren zu Beginn ihren eigenen Standpunkt haben,
der sich aber durch die äußeren Einflüsse verändert.
In diesem Fall ist es das Einsetzen des großen Regens, also des Monsuns, der diese Entwicklungen in Gang setzt. 
So erhält auch eine Liebe über die Grenzen des Kastensystems hinweg eine Chance, und wenn der Leser das Buch am Ende zuschlägt, ist nichts mehr wie es war.

Wie aber ist dieses Buch mit seinen verschiedenen Facetten zu bewerten?
Wer auf psychologische Tiefe und dramatische Szenen Wert legt, wird voll auf seine Kosten kommen.
Ebenfalls ist die Rahmenhandlung detailreich und historisch korrekt ausgearbeitet.
Dafür fehlt es dem Roman leider am Spannungsbogen.
Die Ereignisse spitzen sich nicht richtig zu, da die inneren Entwicklungen der Figuren im Vordergrund stehen.
Somit ist "Der große Regen" eher etwas für den geübten Leser, der anspruchsvolle Literatur zu schätzen weiß.

Ich selbst bin nach wie vor sehr beeindruckt von Louis Bromfields perfektionistischer Arbeitsweise, die seinen Roman zu einem kleinen Kunstwerk macht, jedoch hätte auch ich mir ab und an etwas mehr Schwung gewünscht.

Alles in allem gebe ich 4 von 5 möglichen Büchern.






 

Gewinnspiel: Frühlingsgefühle und Schmetteringe im Bauch? vs. Ich könnte Amor abmurksen!

Liebe Buchfreunde,

wie angekündigt gibts noch eine kleine Überraschung diesen Monat in Form eines Gewinnspiels:

Jetzt da der Frühling uns endlich erreicht hat und die Tage wieder wärmer und schöner werden wird bei vielen die Winterdepression von Frühlingsgefühlen abgelöst.

Die richtige Jahreszeit um sich neu zu verlieben!
Oder doch nicht?

Schreibt mir an ellasbuchsofa@gmail.com Eure kleine Anekdote zum Thema "Frühlingsgefühle und Schmetterlinge im Bauch" oder bezieht Contra mit "Ich könnte Amor abmurksen!"

Erzählt auf dem Buchsofa welchen Standpunkt Ihr dazu habt und gewinnt mit etwas Glück eins von drei Büchern von Kerstin Gier, der Meisterin des Liebesromans mit Happy End!

















Ich freue mich auf Eure Zuschriften von denen die Besten hier auch auf dem Buchsofa landen!
Natürlich werden dann in diesem Rahmen auch die Gewinner bekannt gegeben ;)

Teilnahmeschluss ist der 26.04. und über den Gewinn entscheidet meine professionelle Glücksfee! ;)
(Die ich vorher aber wieder mit einer Tüte Gummibärchen zur Mitarbeit motivieren muss...)


Alles Liebe,

Eure Ella

Samstag, 13. April 2013

Leseprobe: Diosa de la Sangre (Part 1: Prolog, Kapitel 1+2)



Prolog


Irland

Über das Land war die Nacht hereingebrochen und Nebelschwaden umgaben das Dorf. Nur schemenhaft konnte sie die kleinen Häuser in der Ferne erkennen. Als das Mädchen in den schmalen Waldweg einbog, war der Boden unter ihren Füßen matschig und an den teuren neuen Stiefeln klebte das nasse Laub.
Sie trug keine Uhr bei sich, aber ihr Zeitgefühl sagte ihr, dass es schon weit nach Mitternacht sein musste. Höchste Zeit sich zurück ins Bett zu schmuggeln, bevor jemand ihren nächtlichen Ausflug bemerken würde.
Die Sperrstunde war längst vorbei, aber wozu waren diese Klassenfahrten sonst gut, wenn nicht, um nach dem langweiligen Tagesprogramm noch etwas Spaß zu haben.
Leider war Spaß auf dieser Reise ein dehnbarer Begriff, wofür der „Heimatabend“ ein gutes Beispiel abgab. Die Einzigen, die sich dabei prächtig amüsiert hatten, waren ihre Lehrer gewesen.
Zu ihrem Glück gab es im Nachbarort eine ziemlich große Disco, die ihr im Nachhinein betrachtet, wirklich den Abend gerettet hatte. Vielleicht war es aber auch der nette, gut aussehende Junge gewesen, dessen Anwesenheit ihr die letzten Stunden so versüßt hatte.
Noch in der Erinnerung an ihren Traumprinzen schwelgend näherte sie sich langsam der Abzweigung, die direkt zum Cottage führte.
Das kleine Landhaus war erst vor ein paar Jahren modernisiert worden und hatte mittlerweile nicht mehr viel von dem alten irischen Charme an sich, den es einmal besessen haben musste, als es noch von seinen ursprünglichen Besitzern genutzt worden war.
In den Fenstern brannte wie erwartet kein Licht mehr und so ging sie unbeirrt auf die Verandatür zu, die sie für ihre Rückkehr vorsorglich angelehnt gelassen hatte.
Wenige Schritte vor dem Ziel wurden ihr das nasse Gras und die schlammige Erde zum Verhängnis. Sie rutschte schwungvoll aus, sodass ihr Rücken unsanft mit dem Waldboden Bekanntschaft schloss.
Als sie sich etwas unbeholfen aufgerappelt und sich notdürftig den Morast von ihrer Kleidung gewischt hatte, nahm sie ein leises Lachen hinter sich wahr.
Vor Schreck wäre sie beinahe erneut gefallen, schaffte es aber im letzten Moment auf den Beinen zu bleiben.
Sie fuhr herum.
Durch die Dunkelheit war nichts zu erkennen und sie begann sich verunsichert im Kreis zu drehen.
„Das ist nicht lustig!“, rief sie, bevor ihr klar wurde, dass sie damit nur das ganze Haus aufwecken würde. Also biss sie die Zähne zusammen und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Der Wald schien friedlich und menschenleer. Blöde Scherze waren auf Klassenreisen bekanntlich an der Tagesordnung und es erschien ihr das Sinnvollste zu sein einfach schnell im Haus zu verschwinden und den Vorfall zu ignorieren. Schnell hob sie ihre Handtasche auf, die ihr bei dem Sturz von der Schulter gerutscht war, und lief diesmal auf den Boden achtend weiter. Da war das Lachen schon wieder, begleitet von dem Rascheln von Laub, das von irgendetwas oder jemandem aufgewirbelt wurde.
Adrenalin schoss durch ihren Körper und sie fuhr blitzartig herum. Gerade rechtzeitig um zu sehen, wie eine Gestalt aus den Nebeln auftauchte.
Beinahe hätte sie geschrieen, doch dann erkannte sie ihn.
„Was tust du denn hier? Du hast mich ganz schön erschreckt!“ zischte sie den hübschen Jungen in möglichst gedämpften Ton an.
„Lauf.“, sagte er.
„Was? Ich glaube du spinnst!“ keifte sie leise, aber so das er sie hören konnte „Was soll der kranke Schei…“
Ihre Stimme quittierte den Dienst, als sie in sein Gesicht sah, das jegliche Schönheit verloren hatte.
„Deine Augen“, brachte sie ängstlich hervor.
„Lauf!“, forderte er sie erneut auf und sie tat es. Sie rannte um ihr Leben.


Polen

Kurz vor der polnischen Grenze lag ein kleiner Ort. Er gehörte offiziell noch zur deutschen Seite, aber um ins Nachbarland zu kommen benötigte man mit dem Auto keine zwanzig Minuten.
Das Dorf war ein ziemlich verschlafenes Nest, weswegen die Jugendlichen immer froh waren, wenn sich irgendwo auch nur der kleinste Hauch von Spaß und Abenteuer andeutete.
Viele verließen sobald das Wochenende vor der Tür stand den Ort und fuhren entweder, wenn sie genug Geld verdienten, weiter ins Landesinnere um sich dort in den Großstädten ins Nachtleben zu stürzen, oder wenn sie knapper bei Kasse waren, nach Polen hinüber. Dort gab es auch jede Menge Diskotheken, aber mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Eintritts- und Getränkepreise hier viel erschwinglicher waren.
Das war mitunter auch ein Grund gewesen, warum die Veranstalter das Gothic Festival in einer Industriestadt in Polen ausrichteten. Hier entging man der deutschen Bürokratie, was sich wiederum auch sehr positiv auf die Gewinne auswirkte.
Den Reisenden in dem roten VW-Golf, der kurz vor Sonnenuntergang über die Landstraße brauste, war dieser Umstand aber herzlich egal. Die Teenager wollten sich die nächsten zwei Tage einfach nur gut amüsieren und sich keine Gedanken über Vorschriften machen.
Zwischen diversen Campingutensilien und Essensvorräten saßen der Fahrer, ein neunzehnjähriger blonder Mann und seine drei Mitreisenden: zwei pubertierende, sechzehnjährige Mädchen und ein weiter Junge, die offensichtlich alle eine Menge Spaß hatten. Laute Musik wummerte aus den Boxen und eine halb volle Wodkaflasche wurde herumgereicht.
Bald würden sie Legnica erreichen und auf den provisorisch eingerichteten Campingplatz fahren, um dort erst einmal in Ruhe auszupacken. Anschließend würde es dann Zeit sein sich auf den Weg zum Eröffnungskonzert zu machen.
Der hübsche Blonde war leicht nervös, als er auf den abgelegenen Platz einbog und ausstieg. Rastlos lies er seinen Blick umherschweifen, bis er sie entdeckte.
Die langen, roten Locken und ihr Lächeln kannte er bereits von ihrem Foto. Er hatte unnötig Angst gehabt, dass sich seine schöne Internetbekannte als eine Mogelpackung entpuppen könnte. Besonders ihre grünen Augen hatten es ihm auf ihren Bildern angetan gehabt, aber davon konnte er im Moment wenig erkennen. Nicht nur weil er viel zu weit entfernt stand, sondern auch wegen der großen dunklen Sonnenbrille, die ihr Gesicht dominierte.
Eigentlich ein ziemlich skurriler Anblick, da die Sonne fast schon untergegangen war.
Seine Freunde waren inzwischen ausgestiegen und hatten angefangen, die Zelte aus dem Auto zu räumen und nach einem guten Platz Ausschau zu halten.
Das Mädchen ging langsam auf ihn zu und als sie vor ihm stand und zu ihm hoch lächelte, stockte ihm fast der Atem. Sie war so unglaublich schön. Kein Foto konnte auch nur im Mindesten ihre Schönheit wiedergeben.
„Hi.“, sagte sie strahlend und zog dabei ihre Sonnenbrille von der Nase, aber nicht ohne ein paar Mal blinzeln zu müssen, „Ich bin Amber.“
„Hallo A-A-Amber, ich b-bin Mike. Wahnsinn du bist wirklich…äh ich meine du bist wahnsinnig hübsch.“ brachte er verlegen hervor.
Netterweise überging sie sein Gestammel und hakte sich wie selbstverständlich bei ihm unter.
„Freut mich, dass ich dir gefalle, Mike“, sagte sie und lachte ihn dabei fröhlich an.
Mit einem debilen Grinsen auf dem Gesicht und der rothaarigen Schönheit an seiner Seite winkte er noch schnell seinen Freunden, die gerade mit ein paar Zeltstangen kämpften, zu und lies sich dann von seiner Verabredung in Richtung Festplatz ziehen.
Im Laufe des Abends verflog die Unsicherheit seiner Begleiterin gegenüber und sie feierten ziemlich ausgelassen und feuchtfröhlich bis in die frühen Morgenstunden.
Irgendwann beschlossen die Beiden einen romantischen Spaziergang in den angrenzenden Park zu machen. Der kleine Ausflug erinnerte aber doch eher an ein Fangenspielen, da Amber voller Übermut war und vor Mike immer weglief und dabei lauthals kicherte.
Offensichtlich hatte sie zu viel getrunken und er machte sich Sorgen, ob er sie nicht zu ihrem Zelt bringen sollte. Als er sich endlich dazu durchgerungen hatte sich für heute von ihr zu verabschieden, war sie aus seinem Blickfeld verschwunden und auch ihr Lachen war nicht mehr zu hören.
„Amber!“, schrie er besorgt in die Dunkelheit, „Komm schon, das ist nicht lustig! Lass uns zurückgehen. Wir sind schon ziemlich weit vom Festival entfernt!“
Doch es blieb still.
„Amber!“, brüllte er wieder, diesmal mit einem leicht ärgerlichen Unterton, „Mir rechts! Ich will wieder zum Konzert, entweder du kommst mit oder ich lass dich hier!“
Wieder blieb es still.
Dabei war er sich sicher, dass sie sich nur versteckt hatte und abwartete was er tun würde. Aber für das Spielchen war er zu schlau. Er tat so, als ob er gehen würde und hoffte, dass sie dann endlich aufhören würde mit dem Unsinn.
„So, du glaubst also, ich spiele dumme Kinderspiele?“, sagte sie höhnisch, drei Meter von ihm entfernt an einen Baum gelehnt.
„Na endlich da bist du ja“, seufzte er erleichtert, ohne ihrem frostigen Ton eine Bedeutung zuzumessen.
Er wollte auf sie zugehen, doch sie brachte ihn mit einer abwehrenden Handbewegung zum Stehen.
„Was soll das?!“, schoss es ihm durch den Kopf, „und warum ist sie plötzlich nicht mehr am Herumtorkeln und kichern?“ Er sah verwirrt aus.
Plötzlich stand sie neben ihm und begann ihn zu mustern, „Armes verwirrtes Schäfchen. Ist deine Verabredung doch nicht so betrunken, wie es zunächst schien?“ Sie lachte.
„Was ist denn auf einmal los mit dir, w-wir h-haben uns d-doch…“, stotterte er.
„W-w-was h-h-haben wir?“, äffte sie ihn nach und grinste dabei. Die Verletzung, die ihm ins Gesicht geschrieben stand, ignorierte sie und sprach ungerührt weiter:
„Ich erklär dir jetzt mal was Mikie und dann schauen wir, ob du das mit deinem Spatzenhirn auch verstehst. Eigentlich wollte ich dich ja erst morgen hier her bringen, aber deine Gedanken sind noch unerträglicher als dein Gerede! Und bevor du fragst, ja ich kann deine Gedanken hören und sie auch kontrollieren, also wäre weglaufen zwecklos, aber soweit ich in dir lesen kann hast du das sowieso nicht vor.“ Sie lachte wieder.
„Du hast vorhin auf dem Parkplatz wie du nach mir Ausschau gehalten hast Angst gehabt ich könnte nicht die sein, für die ich mich ausgebe. Manchmal ist der erste Gedanke der Richtige. Ich bin nicht, was ich vorgebe zu sein, weder eine Schülerin, noch ein kleines polnisches Mädchen, das dich toll findet. Oder hast du schon mal eine Polin mit Namen Amber kennengelernt? Na?“ Sie sah ihn herausfordernd an und er schüttelte unfähig etwas zu sagen einfach nur seine blonde Mähne.
„Dachte ich mir“, kicherte sie zufrieden. „Denken scheint nicht deine Stärke zu sein. Jedenfalls finde ich kein Mensch sollte dumm sterben und deshalb verrate ich dir jetzt ein kleines Geheimnis“, säuselte sie, aber es klang nicht mehr so liebreizend wie vorhin, sondern vielmehr bösartig.
In selbstverliebten Ton sprach sie weiter: „Ich bin Engländerin. Zumindest war ich das ursprünglich und ich war wirklich einmal sechzehn. Das war im Jahre 1624 als ich beinahe an der Syphilis verreckt wäre. Gestorben bin ich dann aber wiedererwartend nicht an der Krankheit, sondern an dem Kerl, der mich erst in diese Situation gebracht hatte. Na jedenfalls…“
„Warum erzählst du mir das?“, frage er resigniert und unfähig sich zu bewegen.
„Schtttttt! Ich hasse Unterbrechungen“, blaffte sie ihn wütend an. „Ich erzähle dir nur die Wahrheit. Ich finde du solltest wissen, was bald auch mit dir geschieht“ und wieder gab sie dieses Lachen von sich, das er nicht mehr hören wollte.
„Danke Mike, es ist nett, so etwas von seinem Date zu denken. Wenn ich dich langweile, kann ich dir auch gleich die Kehle rausreißen und dir den Rest ersparen?“ Sie zog eine Augenbraue nach oben und musterte ihn. „Dachte ich mir schon. Sterben will keiner. Also ich mache es kurz.  Das war mir früher bei meinen Kunden auch immer am liebsten. Ich bin über vierhundert Jahre alt, sehe dabei aber keinen Tag älter als sechzehn aus und liege nicht tot und verwest in einem Sarg. Also was bin ich?“, fragte sie ihn herausfordernd.
Mike konnte nur den Kopf schütteln. „Doch Schäfchen, du weißt es. Du hast schon immer an sie geglaubt.“ Fast zärtlich strich sie ihm eine Strähne seiner blonden Haare hinters Ohr.
„Wirst du mich töten?“, frage er leise.
„Ja werde ich, aber du darfst dir aussuchen ob du danach, wie ich wieder aufstehst, oder ob du ein stinkender Haufen Fleisch bleibst, so wie deine kleinen Freunde, wenn ich mit ihnen fertig bin. Deine Entscheidung.“


Türkei

Der Sommerurlaub an der türkischen Riviera war in den letzten Jahren zu einer Tradition geworden. Doch dieses Mal war es anders. Offiziell war sie gar nicht hier. Ihre Familie glaubte, sie hätte in Frankfurt auf dem Zentralfriedhof ihre letzte Ruhe gefunden. Noch immer verfolgten sie schreckliche Träume, in denen sie wieder in dieser engen stickigen Kiste lag und aus Leibeskräften um Hilfe schrie. Das Erwachen war das Schlimmste für sie gewesen. Orientierungslos, verängstigt und was das Wichtigste war: tot.
Wie ihr das passieren konnte, wusste sie bis heute nicht. Anstelle ihrer Erinnerungen an den letzten Tag ihres normalen Lebens, war ein schwarzes Loch getreten. Sie wusste nichts mehr. Weder, dass sie mit ihrem Mann gemeinsam gefrühstückt haben musste, noch von dem Vormittag in der Redaktion, an dem sie Hals über Kopf gekündigt haben soll und auch an das, was danach geschehen sein musste, hatte sie keine Erinnerung mehr. Nur das Ergebnis kannte sie: Sie war ein Parasit und eine Mörderin. Inzwischen hatte sie unzählige Menschenleben ausgelöscht und viele Weitere verletzt.
Ein wahres Monster war aus ihr geworden, aber Reue konnte sie deswegen nicht empfinden.
Auch nicht bei dem, was sie jetzt im Begriff war zu tun.
Sie schob sich die Sonnenbrille auf die Nase und kontrollierte den Halt ihres Kopftuches. Alles saß perfekt und nicht eine einzige Strähne ihres rabenschwarzen Haares war zu sehen.
Ihre Kleidung war der der einheimischen Frauen angepasst und so fiel sie auch niemandem auf, als sie aus der kleinen schattigen Gasse hinaus auf den Marktplatz trat. Keine zehn Meter vor ihr schlenderte eine Frau mittleren Alters mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm die Straße entlang und sah sich interessiert die vielen bunten Tücher an den verschiedenen Ständen an. Ihr eigenes schwarzes Sommerkleid bildete dazu einen ziemlich starken Kontrast. Auch das Kleinkind trug Shorts und T-Shirt in gedeckten Farben, wobei es sicher noch nicht verstehen konnte, warum man ihm diese Sachen angezogen hatte. Ihre Mutter trauerte also immer noch um sie, aber das würde sich bald ändern. In Kürze würden sich alle Probleme, die sich angesammelt hatten, in Luft auflösen und ihr altes Leben würde sie nicht mehr quälen.
Ihre Zielobjekte bewegten sich nun auf das Ende des Marktes zu und traten den Rückweg in das große Ferienhaus, das die Familie jedes Jahr mietete, an.
Sie folgte ihnen in sicherem Abstand und lehnte sich, nachdem die Großmutter und das Mädchen in der Eingangstür verschwunden waren gegen einen großen Baum, der in unmittelbarer Nähe des Hauses stand. Dort wartete sie geduldig auf den Sonnenuntergang.

Am nächsten Morgen weckte der Schrei der Putzfrau die umliegenden Häuser.
Das alte Ehepaar fand man blutüberströmt am Rand des Pools im Garten, ihr Schwiegersohn und seine neue Frau, die zweite Tochter der Beckers, lagen mit herausgerissenen Kehlen in ihrem Schlafzimmer im ersten Stock und dem Kleinkind, der Tochter des Paares war das kleine Genick gebrochen worden. Sie lag noch in ihrem Kinderbettchen, als man sie fand.
Die Polizei nahm an, dass es sich um eine Beziehungstat handelte. Der Täter musste regelrecht von Hass zerfressen gewesen sein, um so etwas tun zu können.



Sie schreckte unerwartet heftig aus dem Schlaf und ein gellender Schrei erfüllte den Raum. Die Zimmertür würde aufgerissen und schnelle Schritte näherten sich ihr. Jemand setzte sich neben sie auf das große Himmelbett, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie heftig. „Yellena! Bitte komm zu dir! Was ist denn bloß passiert?!“, flehte die Stimme.
Langsam kehrte die Realität um sie herum zurück. Yellena erkannte, dass sie sich wieder in ihrem Zimmer auf dem Landsitz ihrer Großmutter befand, die mit besorgtem Gesichtsausdruck vor ihr saß und sie immer noch mit eisernem Griff umklammert hielt.
„Schon gut Granny“, brachte sie mit tränenerstickter Stimme hervor, „Mir geht es gut.“
„Wie viele hast du heute Nacht gesehen?“, wollte die ältere Frau wissen und zog ihre Enkelin dabei tröstend in ihre Arme.
„Zehn Opfer“, brachte sie leise hervor, „das Jüngste war gerade zwei Jahre alt.“
Ihre Stimme versagte und die Tränen verschleierten ihr erneut die Sicht.




Kapitel 1

Marianne Hollingsworth stand gedankenverloren am Küchenfenster und trank ihren Kaffee.
Der Wetterbericht hatte nicht gelogen. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag und bereits jetzt um halb acht am Morgen war es draußen angenehm warm.
Eigentlich hatte sie sich heute endlich der Pflege ihres Gartens widmen wollen, aber der Zustand ihrer Enkelin machten ihr einen Strich durch die Rechnung.
Yellenas Albträume wurden immer schlimmer und sie litt zunehmend unter den Bildern. Die Schreie mitten in der Nacht und das Weinen gaben weiteren Grund zur Besorgnis. Die Gabe verschlimmerte sich zunehmend und Marianne hatte keine Ahnung, wo das noch hinführen sollte.
Sie hoffte inständig, dass das Ganze bald ein Ende finden würde, aber für den Moment waren ihr die Hände gebunden.
Seufzend stellte sie ihre Tasse auf dem Küchentresen ab und begann das gemeinsame Frühstück vorzubereiten.
Zum Erbe ihres verstorbenen Mannes gehörte neben dem großen Herrenhaus und einem beachtlichen Vermögen zwar auch ein ganzer Hofstaat von Bediensteten, aber aufgrund ihrer Lebensumstände verzichtete sie mittlerweile auf einen Großteil des Personals. Nur Christian, den Butler hatte sie im Haus behalten. Er war der Familie Hollingsworth seit mehr als vierzig Jahren treu ergeben und Marianne vertraute ihm blind.
Um das sonntägliche Frühstück mit ihrer Enkelin kümmerte sie sich trotzdem gerne selbst. So wusste sie, dass alles Wichtige auf dem Tisch stand, damit Yellena einen guten Start in die Woche haben würde. Bei dem Gedanken huschte ein Lächeln über das Gesicht der alten Dame. Ihre Enkelin war mittlerweile eine schöne junge Frau geworden und längst kein Kind mehr. Für ihre Großmutter würde sie trotzdem immer die schüchterne Fünfjährige sein, die mit ihrem kleinen Köfferchen und ihrem Stoffschweinchen eines Tages vor ihrer Tür gestanden hatte. Seitdem hatte sie das Mädchen groß gezogen. Ihre Tochter hatte leider nicht sehr viel Interesse an ihrem Kind gezeigt, woran Marianne sich teilweise selbst die Schuld gab. Sie hatte ihre Tochter sehr früh in die Ehe mit dem Sohn eines befreundeten Unternehmers gedrängt und auf eine schnelle Familiengründung der beiden gepocht. Am Anfang war es schwer für sie gewesen, dass Andrea nichts mehr von ihr und dem eigenen Kind wissen wollte, aber sie hatte es schließlich akzeptiert und auch Yellena hatte nach einiger Zeit aufgehört, nach ihrer Mutter zu weinen.
Heute gab sich die alte Dame besonders viel Mühe eine idyllische Atmosphäre zu schaffen. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie ihr Enkelkind auch bald verlieren würde. Sie wollte die ihnen noch verbleibende Zeit so gut es ging auskosten.

Yellena verließ die Dusche, ohne den Wasserhahn überhaupt angestellt zu haben. Die junge Frau war immer noch völlig verstört von dem, was sie in ihrem Traum gesehen hatte.
Am schlimmsten war die Gewissheit, dass diese Morde wirklich geschehen waren.
Sie konnte nicht sagen, woher sie diese Sicherheit nahm, aber sie wusste es einfach. Diese Nacht hatten wieder Menschen ihr Leben verloren und wieder hatte sie nur zusehen können.
Allerdings, so sagte sie sich mit einem tiefen Seufzen, sollte sie sich langsam an diese Träume gewöhnt haben. Schließlich waren sie seit mehr als einem halben Jahr Teil ihres Lebens. Sie waren ihr dunkles Geheimnis, von dem außer ihr, nur ihre Großmutter wusste. Sie hätte gerne mit jemandem darüber gesprochen, aber die Angst in einer psychiatrischen Anstalt zu enden war zu groß. Unbewusst griff sie nach der Haarbürste, die auf der Kommode lag, und begann sich die schwarzen Locken zu kämmen. Dabei kreisten ihre Gedanken weiter um ihre seltsame Gabe.
Anfangs hatte sie nur fetzenartige Bilder gesehen, an die sie sich am nächsten Morgen nicht einmal richtig erinnern konnte. Die nur für ein paar Stunden ein schales Gefühl zurückgelassen hatten, aber über die Monate hinweg hatten sich immer mehr Erinnerungen den Weg in ihr Bewusstsein gebahnt, die sie jetzt zunehmend quälten. Die letzte Nacht war allerdings beispiellos gewesen. Sie hatte sie gespürt. Nicht die Angst und die Schmerzen der Opfer, wie es bisher gewesen war. Nein sie hatte die Empfindungen der Mörder geteilt. Das war es, was ihr noch viel mehr zusetzte, als die Tatsache von Mordopfern zu träumen.
Unachtsam warf sie die Bürste in den offenen Koffer, der auf dem großen, taubenblauen Himmelbett stand. Nach kurzer Inspektion des Kleiderschranks entschied sie sich für einen weißen Marlene Hosenanzug von ihrem Lieblingsdesigner und ein Paar dazu passende Pumps.
Da sie von Natur aus eine wunderschöne blasse Haut besaß, bestand ihr Make-up lediglich aus etwas Lippenstift und Kajal.
Nachdem sie mit ihrem Anblick einigermaßen zufrieden war, warf sie die Kosmetiksachen ebenfalls achtlos zu ihrem übrigen Gepäck.
Diese Bilder wollten einfach nicht aus ihrem Kopf verschwinden.
Eines war sicher, wenn sie nicht bald eine Lösung finden würde, würde sie wirklich noch den Verstand verlieren. .
Fest entschlossen klappte sie ihren Koffer zu und verließ das Zimmer.

Gedankenverloren stellte die alte Dame den Brotkorb und den Obstsalat auf den Tisch.
Gerade, als sie sich daran machen wollte die Lieblingsmarmelade ihrer Enkelin aus dem Kühlschrank zu holen, stürmte diese in die Küche.
„Ich bin abreisefertig“, verkündete sie knapp.
Marianne wäre vor Schreck beinahe das Glas aus der Hand gerutscht.
„Auch dir einen guten Morgen“, entgegnete ihr die Großmutter mit einem säuerlichen Unterton.
Yellena biss sich auf die Unterlippe, „Verzeih meine Unhöflichkeit. Ich würde jetzt aber wirklich gerne abreisen. Morgen ist Semesterbeginn und ich muss mich heute Nachmittag noch mit der Dekanin wegen des Wohltätigkeitsdinners treffen.“
„Lüg deine Großmutter nicht an Yellena! Dein Termin ist erst am Abend.“
„Ja ist er, aber mir fällt die Decke auf den Kopf Granny. Ich muss hier raus und brauche Zeit zum Nachdenken“, gestand sie resigniert.
Marianne erkannte, wie schlecht es ihrer Enkelin ging und traf eine schnelle Entscheidung:
„Das kann ich sehr gut verstehen mein Schatz. Ich sage Christian er soll deinen Wagen kommen lassen und deine Koffer herrichten.“
„Meine Sachen sind bereits gepackt.“, lies sie ihre Großmutter wissen und wandte sich zum Gehen.
„Hiergeblieben junge Dame! Du setzt dich jetzt sofort an den Tisch und wir frühstücken zusammen. Danach kannst du von mir aus dieses Haus verlassen, aber erst dann.“
Die Endgültigkeit in der Stimme ihrer Großmutter lies Yellena keine Wahl. Sie setzte sich widerwillig an den Küchentisch und goss sich eine Tasse Tee ein, um dann lustlos darin herumzurühren.
Marianne stellte Ihrer Enkelin das Marmeladenglas vor die Nase und setzte sich dann ebenfalls an die Frühstückstafel.
Sie selbst nahm sich reichlich von dem Obstsalat und blickte dann besorgt auf den immer noch leeren Teller ihrer Enkelin.
Diese starrte wie hypnotisiert in ihre Teetasse. Marianne griff beherzt in den Brotkorb und steckte zwei Scheiben Weißbrot in den Toaster um sie anschließend großzügig mit der selbstgemachten Erdbeermarmelade zu bestreichen. Als sie mit ihrem Werk zufrieden war, legte sie Yellena die Toastbrote auf ihren Teller und widmete sich dann ihrem eigenen Frühstück.
„Danke Grandma, aber ich habe keinen Hunger.“
„Du isst das jetzt. Vorher lasse ich dich nicht aus dem Haus.“
„Ich bin kein Kind mehr und ich glaube ich kann langsam selbst entscheiden, wann und was ich esse“, entgegnete sie trotzig.
Marianne Hollingsworth riss endgültig der Geduldsfaden: „Yellena! Anstatt mit mir zu streiten, solltest du einfach dein Frühstück genießen. Du wirst bis heute Abend eh nichts mehr zu dir nehmen, wie ich dich kenne. Also möchte ich wenigstens sicherstellen, dass du eine richtige Mahlzeit am Tag zu dir nimmst:“
Das Blitzen in den Augen ihrer Großmutter verriet Yellena, dass sie keine Chance hatte, diese Auseinandersetzung zu gewinnen. Widerwillig nahm Yellena das erste Marmeladenbrot vom Teller und biss lustlos hinein. Eine halbe Stunde später war das Frühstück endlich offiziell beendet und während ihre Großmutter das schmutzige Geschirr abräumte, lief Yellena noch einmal ins Arbeitszimmer um die Unterlagen für das Gespräch mit der Dekanin zusammenzusuchen.
Auf dem Rückweg begegnete sie dem Butler im Flur, der gerade ihr Gepäck an den Chauffeur übergab.
„Madame, ich habe mir  erlaubt nach Anweisung von Misses Hollingsworth Ihnen einen Proviantkorb zusammenzustellen“, lies er Yellena ungefragt wissen. „Ich habe es an Ihren Fahrer übergeben. Ihre Großmutter möchte Sie noch einmal sehen bevor sie das Haus verlassen.“ Er deutete eine Verbeugung an und verschwand.

Yellena fand Marianne draußen im Garten vor. Ihre Großmutter jätete gerade das Unkraut aus ihren Blumenbeeten. Für einen Moment blieb die junge Frau an der Verandatür stehen und beobachtete die vertraute Szene, die sie seit Kindertagen kannte. Früher hatte sie ein eigenes kleines Stück Land ganz nach ihren Vorstellungen bepflanzen dürfen. Es lag am anderen Ende des Grünstücks. Heute war es von Wildblumen überwuchert. Sie hatte sich seit Jahren nicht mehr darum gekümmert.
Sie hatte sich seit ihrer Ankunft am Freitagabend vor diesem Gespräch gefürchtet. Yellena wollte ihre Großmutter nicht verletzen, aber sie musste jetzt an sich denken.
Die alte Dame wirkte müde als sie die Arbeitshandschuhe beiseite legte und auf ihre Enkelin zuging. Sie nahm sie vorsichtig in ihre Arme und wünschte ihr eine gute Reise.
Yellena wusste, dass es ihre letzte Chance war, reinen Tisch zu machen.
„Ich werde nächstes Wochenende mit den Gérads an die Côte d’ Azur fahren. David und ich feiern mit seiner Familie unsere Verlobung“, begann sie vorsichtig, bis sie die finstere Miene ihrer Großmutter bemerkte. „Keine Sorge, es ist nichts Offizielles. Ich halte mich an mein Versprechen, die Verlobung erst nach diesem Semester vor der Öffentlichkeit und der Presse bekannt zu geben. Trotzdem denke ich etwas Abstand tut uns gut Granny.“ Sie sah die andere Frau traurig an. „Ich ertrage diese Träume nicht mehr und ich halte auch deine besorgten Blicke nicht mehr aus“, gestand sie leise. „Ich liebe dich Grandma.“, damit drückte sie ihrer Großmutter einen Kuss auf die Wange und eilte dann über den Rasen zur Auffahrt, wo ihr Chauffeur bereits auf sie wartete.

Marianne schob sich eine widerspenstige graue Strähne aus dem Gesicht und blickte ihrer Enkelin nachdenklich hinterher. Sobald Yellenas Limousine das Grundstück verlassen hatte, zog die alte Dame ihr Mobiltelefon aus der Hosentasche und drückte auf die Wahlwiederholung.
„Ja?“, meldete sich ein tiefer Bariton am anderen Ende der Leitung.
„Sie hat mein Haus soeben verlassen“, teilte sie ihm mit. „Ich glaube nicht, dass ich sie wiedersehen werde.“
„Ihr Zustand hat sich also verschlechtert?“, hakte er nach.
„Sie geht durch die Hölle“, gestand Marianne bitter.
„Du wusstest, dass der Tag kommen würde. Hab ein wenig Vertrauen zu mir. Es hat sich nichts geändert.“
„Du irrst dich, es hat sich alles verändert.“
Damit beendete sie das Telefonat.
Und zum ersten Mal, seitdem sie Deutschland als junges Mädchen verlassen hatte, bereute sie den Pakt, der seitdem ihr Leben bestimmte, denn nicht sie würde die Rechnung dafür bezahlen, wie sie immer geglaubt hatte. Es war Yellena, die für diese Sünden büßen würde.




Kapitel 2


Yellena lehnte sich in ihrem Sitz zurück und versuchte die Traurigkeit abzuschütteln. Sie wollte endlich zur Ruhe kommen.
Die nächsten vier Stunden würde sie eh nichts tun können, also blieb ihr nichts weiter übrig als die Zeit, die die Fahrt zur Universität beanspruchen würde, so sinnvoll wie eben möglich zu gestalten.
Ihr morgendliches Horrorerlebnis gedanklich beiseite schiebend, zog sie ihr Mobiltelefon aus der neben ihr liegenden schwarzen Aktentasche und begann darauf herumzutippen. Der Termin mit der Dekanin, zwecks des alljährlichen Wohltätigkeitsballs, war für achtzehn Uhr vorgemerkt.
Mehr als genug Zeit also, die Gästeliste nochmals zu überarbeiten und die Menüvorschläge der Cateringfirma durchzusehen. Bei dieser Gelegenheit konnte sie auch gleich noch eine Vorauswahl der Muster für die Einladungskarten treffen. Das würde sie wenigstens von ihren eigenen Problemen ablenken. Das Fest sollte bereits in vier Wochen stattfinden und es gab noch jede Menge Arbeit, die sich leider nicht von alleine tat.
Aber heute war sie darüber ganz froh. Ihre Albträume mochten sie zwar stark belasten, aber sie durfte nicht zulassen, dass die Angst vor ihnen ihr Leben bestimmte.
Vor allem nicht in der jetzigen Situation. Sie befand sich im letzten Semester ihres Politikstudiums, hatte bereits ein lukratives Jobangebot aus den USA erhalten und seit drei Monaten war sie mit David Gérard verlobt. Ihre Beziehung zu dem französischen Industrieerben wurde von ihrer Familie wohlwollend beachtet. Einzig ihre Großmutter hatte sich entschieden gegen diese Verbindung ausgesprochen und sich erst wieder beruhig als Yellena versprochen hatte die Heirat nicht vorschnell über die Bühne zu bringen. Sie liebte ihre Granny, aber ab und zu verhielt sich die alte Dame in ihren Augen doch etwas seltsam.
Allein das Frühstück war wieder ein Paradebeispiel dafür gewesen. Niemand sonst machte so einen Staatsakt daraus, wenn Yellena eine Mahlzeit ausfallen lies, wie Marianne Hollingsworth. Und wehe sie aß nicht immer brav von der eigens eingekochten Erdbeermarmelade ihrer Großmutter, dann bekam diese fast einen Anfall.
Noch etwas abgelenkt von den vorbeifliegenden Ländereien kramte sie die Mappe mit Ballvorbereitungen aus ihrer Tasche hervor und begann die Adressenliste zu studieren. Eine Stunde später hatte sie zumindest die Sitzordnung für das Bankett erstellt und angefangen die Muster für die Tischdekoration durchzusehen.
Dann kam ihr eine bessere Idee, um sich abzulenken. Sie lies die Trennscheibe zwischen Fahrerkabine und Passagierraum herunterfahren und lehnte sich dann provozierend über Benjamins Schulter. Der blonde Hüne war wie Yellena Anfang zwanzig, und obwohl sie aus verschiedenen Gesellschaftsschichten stammten, verstanden sie sich äußerst gut. Er war seit drei Jahren ihr Chauffeur, aber sie hatten sich schon auf der Public School gekannt.
„Wir sind viel zu früh dran. Was hältst du davon an der nächsten Abzweigung abzufahren?“, lockte sie ihn.
Er wirkte etwas überrascht.
„Da geht es zum Motel „French Lick“ bemerkte er mit belegter Stimme, während er sie im Rückspiegel musterte.
Sie schenkte ihm ein verführerisches Lächeln. „Ein passender Name. Findest du nicht?“ In ihrer Stimme lag eine gewisse Herausforderung. „Ich hoffe unser Zimmer ist noch frei“ flüsterte sie ihm leise ins Ohr und nahm zufrieden wahr, wie sich seine Atmung beschleunigte.

Collin Reeves verpasste seinem Wecker eine volle Breitseite, woraufhin dieser mit einem klagenden Laut verstummte. Ärgerlich und noch im Halbschlaf drehte sich Collin wieder auf seine Schlafseite und versuchte erneut ins Land der Träume zurückzufinden, was ihm aber nicht so ganz gelingen wollte. Dieser bescheuerte Wecker klingelte doch wirklich immer, wann es ihm passte und nicht um die Zeit, auf die er programmiert war. Wie er diesen neumodischen Mist hasste. Früher war man auch ohne digitale Funkanzeige ausgekommen und er konnte einfach nicht verstehen, was sich großartig geändert haben sollte.
Allgemein war die Welt in den letzten Jahren um einiges komplizierter geworden, aber das traf auch auf sein Leben zu. Er stand kurz davor sich seine größte Sehnsucht erfüllen zu können, aber zuvor stand ihm noch eine grausame Prüfung bevor: ein Meeting im Büro von Dekanin Walsh. Man wollte ihm offiziell bei einem kleinen Umtrunk zu seiner neuen Stelle beglückwünschen und ihm bei der Gelegenheit wohl auch genauer auf den Zahn fühlen.
Aber sollten sie es ruhig versuchen. Seine Geschichte war hieb- und stichfest.
Sein letzter Gedanke bevor er erneut einschlief galt ihr. Ob sie wohl auch zu der Feier eingeladen war?

Die Strahlen der Mittagssonne schienen durch das kleine Fenster von Zimmer 107 und wärmten Yellenas Rücken. Sie lag nackt auf dem Bett und sah ihrem Chauffeur zu, wie dieser langsam seine Uniform auszog und ordentlich über einen der Sessel drapierte.
Sie liebte es zuzusehen, wie er sich aus seiner Kleidung schälte und sein gebräunter muskulöser Körper mit den perfekt definierten Muskeln zum Vorschein kam.
Sein Anblick erinnerte sie jedes Mal an einen griechischen Gott ,bei dem sie nicht wusste, wo sie zuerst hinsehen sollte.
Wäre Ben aus ihrer Gesellschaftsschicht würde sie nicht einen Augenblick zögern und ihn anstelle dieses französischen Spießers heiraten, aber das Schicksal hatte es nun einmal anders bestimmt. Zumindest redete sie es sich gerne ein. Die Wahrheit war, dass sie in Benjamins Nähe sie selbst sein konnte. Er lies sie Ihre Sorgen vergessen und nur drauf kam es ihr an.
„Komm endlich ins Bett“, bettelte sie und rekelte sich lasziv um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er beobachte aufmerksam jede ihrer Bewegungen und glitt dann neben sie in die kühlen Laken. Behutsam strich er ihre lange Lockenmähne zur Seite und begann vorsichtig ihren Nacken bis zu den Schulterblättern hinab zu küssen.
„Ich liebe deine Haut“, flüstere er ihr ins Ohr. „Sie ist so weiß wie Milch.“
Mit einer fließenden Bewegung drehte er sie zu sich herum. Spielerisch drückte er ihren Körper mit seinem eigenen Gewicht in die Kissen und lächelte sie verführerisch an. Ihre saphirblauen Augen erwiderten seinen Blick und er konnte dem Drang nicht mehr wiederstehen sie zu küssen.
Später konnte Yellena nicht mehr sagen, wer von ihnen die Initiative ergriffen hatte. Sie hatte sich einfach fallen lassen und mit jeder Berührung waren ihre Probleme weiter in den Hintergrund gerückt und für ein paar Stunden war sie dem Himmel ein Stück näher gewesen.

Um kurz vor achtzehn Uhr jagte eine schwarze Luxuskarosse durch das Eingangstor die Auffahrt zur Peterson Hall hinauf. Die Sonne schien warm vom Himmel, weswegen er auch beschlossen hatte, einen kleinen Spaziergang zu unternehmen. Das Quietschen der Autoreifen hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er rückte die Sonnenbrille auf seiner Nase zurecht und beobachtete dann interessiert, wie ein ziemlich schlampig gekleideter Fahrer im Eiltempo aus dem Wagen sprang um für seinen Fahrgast die hintere Tür zu öffnen.
In diesem Augenblick sah er sie zum ersten Mal.
Sie stieg anmutig aus dem Wagen und schenkte dem jungen Chauffeur ein atemberaubendes Lächeln. Danach eilte sie auf die Stufen der Eingangshalle zu, wurde aber im letzten Moment von einem Rufen zurückgehalten. Sie hatte ihre Aktentasche im Wagen vergessen, die ihr der junge Mann nun brachte. Sie lächelte ihn erneut an und ihre Hände berührten sich. Es waren nur Sekunden, aber schlagartig wurde ihm klar, von was er da gerade Zeuge geworden war.
Heiße Wut wallte in ihm auf und es kostete ihn seine ganze Willenskraft, seine Augen von dem Geschehen abzuwenden und sich wieder auf seine eigenen Verpflichtungen zu konzentrieren.